Kinderkrankheiten oder strukturelle Probleme bei den VfB Frauen?

Kinderkrankheiten oder strukturelle Probleme bei den VfB Frauen?

25. Juli 2022 0 Von Max Müller

Das Frauenteam des VfB Stuttgart startet am 21.8. in den wfv-Pokal und am 4.9. in die neue Saison in der Oberliga BW. Das ist zwar noch eine ganze Weile hin, doch die ersten drei Testspiele sind bereits vorbei und in den nächsten Wochen stehen noch vier weitere auf dem Plan. Zeit also, sich die aktuelle Situation mal genauer anzuschauen und zu analysieren.

Ich werde in den kommenden Abschnitten auf fünf Punkte eingehen, um die durchaus knifflige Situation bei den VfB Frauen etwas näher zu beleuchten, zu erklären und einzuordnen. Nach einem Überblick über die Lage gehe ich auf die Punkte Trainerwechsel, Zukunft der Trainer:innen-Position, die kurzfristigen Änderungen der Testspielgegner inklusive Kommunikation derselben und die nicht ganz einfache Situation zwischen e.V.-Abteilung und AG-Öffentlichkeitsarbeit ein.

Ein kurzer Überblick der sportlichen Situation

Nach dem unglücklichen Abstieg war für den Saisonstart ein Trainingslager am Wochenende vom 8.-10.7. und in den zwei Wochen darauf Testspiele gegen die Bundesligisten Hoffenheim und Freiburg vorgesehen. Nach dem Abstieg wurde Cheftrainer André König mitgeteilt, dass mit ihm in Zukunft nur noch als Co-Trainer geplant sei. Das wollte er offensichtlich nicht so hinnehmen und er gab sein Amt kurz vor Beginn des Trainingslagers auf. Dieses wird nun interimsweise von Vereinsmanagerin Lisa Lang „nach englischem Vorbild“ ausgefüllt, die mit dem Team dann kurzfristig selbst ins Trainingslager gefahren ist.

Lang sagt über das Trainingslager selbst: „Die Integration unserer vielen Neuzugänge läuft super, dennoch müssen wir uns als Team erst einmal finden. Aber eins haben alle gemeinsam: Spaß am Frauenfußball beim VfB. Der Stolz und die Neugier, aber auch der Respekt ist bei jedem spürbar. Viele Mädels stehen erstmals in so einem Fokus – vieles ist neu für sie.“ Wie so oft bei einem neuen, großen Projekt also.

Nach Ende des Trainingslagers wurden die Testspiele gegen Freiburg und Hoffenheim abgesagt und durch die Gegner Lustnau und Rottweil ersetzt.

Wie kam es zum Rücktritt / Wechsel auf der Trainerposition?

Die genauen Gründe für die Entlassung sind mir nicht bekannt und werden auch beim VfB intern nicht an die große Glocke gehängt. Sicher ist, dass der Verein die Auswahl der Testspielgegner Freiburg und Hoffenheim recht schnell nach dem Verlassen des Trainers revidierte. Laut VfB „aus sportlichen Gründen“. Was Sinn macht, denn gegen Bundesligisten, auch wenn diese dank EM nur mit Rumpfkader antreten, wäre man als Viertligist ohne Chance und mit wenig Spaß dabei. Selbstvertrauen aufbauen geht anders. Und nur weil man VfB Stuttgart heißt und das Herrenteam in der Bundesliga zweimal im Jahr gegen Hoffenheim und Freiburg spielt, gilt das gleiche nicht automatisch für das Frauenteam.

Die Entscheidung für attraktive Gegner in der Vorbereitung hätte möglicherweise kurzfristig zu mehr Zuschauer:innen und Aufmerksamkeit geführt. Doch was bringt das, wenn dann auf dem Platz 5,6 oder mehr Tore gegen das eigene Team fallen?

Den gleichen Gedanken hatte wohl auch Interimstrainerin Lang, als sie diese Entscheidung rückgängig machte. Was nun dazu führt, dass im Mitgliedermagazin „dunkelrot“ falsche Gegner stehen, denn zu diesem Zeitpunkt war die Ausgabe mit den Terminen für die VfB Frauen bereits gedruckt und verschickt. Aus kommunikativer Sicht unglücklich, aus sportlicher Sicht vermutlich die absolut richtige Entscheidung.

Denn wie sie sagt, geht es erst einmal darum dass das Team zusammenfindet. Über Gegner wie Hoffenheim (vielleicht ja dann die zweite Mannschaft) kann man immer noch für die Winterpause nachdenken.

Die Trainer:innenfrage

Ex-Trainer König verließ den VfB zu einem für den VfB maximal unglücklichen Zeitpunkt. Auch unglücklich ist, dass Lang ihren Trainerinnen-Job beim TSV Münchingen erst dieses Jahr aus Zeitmangel aufgegeben hat und jetzt interimsweise den VfB Stuttgart trainieren muss. Und das neben ihrem eigentlichen Job, wo sie u.a. eine Mitgliederversammlung, die Ende des Sommers ansteht, organisieren muss. Dennoch wird Lisa Lang laut Rainer Adrion die Rolle als Cheftrainerin so lange ausfüllen, bis ein:e Nachfolger:in gefunden ist. Und deshalb muss sie wohl auch in Zukunft ihre Wochenendpläne umschmeißen, um für das Trainingslager oder ein Spiel verfügbar zu sein. Es lässt sich aber vernehmen, dass der Verein eine Entscheidung in sehr naher Zukunft treffen und veröffentlichen wird.

Die Kommunikation

Das Terminchaos

Vielfach kritisiert wurde auf Social Media, dass für Außenstehende, insbesondere ohne Social Media, die aktuelle Terminsituation beim VfB nicht klar erkenntlich ist. Das ist nicht falsch, denn wer nur das Mitgliedermagazin liest, kommt zum falschen Gegner und zur falschen Uhrzeit zu den Spielen. Der VfB stellt dem auf Anfrage entgegen, dass „die Veränderungen bei den Testspielen nicht nur über Social Media, sondern auch über Meldungen auf der Homepage inkl. Push an die App-User kommuniziert“ wurden, genau wie beim Profiteam und nennt die Kritik „unzutreffend“.

Angesichts der schwierigen Situation und der sportlichen Notwendigkeit waren die Möglichkeiten tatsächlich begrenzt. Es ist aber schade, dass der Verein die Entscheidungen nicht etwas zeitnaher fällen und kommunizieren konnte. Dass der Gegner Lustnau und nicht Hoffenheim heißt und es eine zeitliche Verschiebung gab, gab der Verein drei Tage vor dem Spiel bekannt. Beim Tausch von Freiburg zu Rottweil gilt gleiches. Am Freitag fand das Spiel statt, die Veröffentlichung erfolgte ebenfalls nur drei Tage im Voraus. Da die Entscheidung laut VfB aus sportlichen und nicht aus organisatorischen Gründen erfolgte, hätte man diese auch gleichzeitig mit dem Hoffenheim-Wechsel bekannt geben und dann bei einem Ersatz-Gegner eine zweite Mitteilung veröffentlichen können. Damit hätte man zumindest für das zweite und für die Zuschauer:innen relevantere Spiel einen größeren Vorlauf gehabt.

Die Verantwortlichen

Zum vorerst letzten mehrfach geäußerten Kritikpunkt muss ich eine kurze Erklärung vorabschicken: Bei der Ausgliederung des e.V. wurde die Kommunikationsabteilung des VfB quasi mit ausgegliedert. Die Verantwortlichen dort arbeiten seitdem für die AG, nicht den Verein. Es wurde ein Rahmenvertrag abgeschlossen zwischen e.V. und AG. Danach ist die AG für sämtliche Online-Öffentlichkeitsarbeit (Social Media und Website) redaktionell und juristisch verantwortlich. Der Verein vergütet diesen Aufwand. Das bedeutet, dass auch für die e.V.-Abteilung „VfB Frauen“ die Verantwortung für Posts und Artikel bei der AG liegt.

Hier entzündete sich die Kritik, dass die AG grundsätzlich erst einmal kein Interesse an einem prominenten Auftritt der Frauen habe. Es ist auch richtig, dass jede Minute, die ein:e AG-Angestellte:r mit der Frauenabteilung verbringt, nicht dem Herrenteam zugute kommt. Denn für diese wird die/derjenige Mitarbeiter:in eigentlich bezahlt. Aktuell ist also tatsächlich ein wenig „guter Wille“ der AG vonnöten, um die Präsenz der Frauen voranzutreiben.

[Der gute Wille wird hier aktuell insbesondere von Claus Vogt, Rainer Adrion und in der AG ganz besonders von Alex Wehrle vorangetrieben. Wehrle hat in Köln bereits ein erfolgreiches Frauenteam aufgebaut und sieht das wohl auch in Stuttgart als hohe Priorität an.]

Der VfB teilt dazu mit, dass er das Frauenteam gleich den Jugendteams betreut. Zitat: „Die Webseite der VfB-Frauen sowie die darauf veröffentlichten Texte und Fotos sowie die Social-Media-Auftritte werden analog der NLZ-Leistungsteams von der Kommunikationsabteilung des VfB geliefert, mit Unterstützung aus dem Staff und einiger Spielerinnen, die auch schon beim VfB Obertürkheim dafür zuständig waren.“

Fazit

Das Projekt „Frauenfußball beim VfB Stuttgart“ steckt noch in den Kinderschuhen. Die Spielerinnen sind voll dabei. Jetzt geht es darum, den Aufstieg zu schaffen und sich in der Region zu etablieren. Noch wandern viele Talente ab, die gerne in Stuttgart und der Region spielen würden, dort aber keine Perspektive sehen. Auch für erfahrene Spielerinnen, die eher am Ende ihrer Karriere sind und beispielsweise schon in der Bundesliga gespielt haben haben, kann in Zukunft Platz sein.

Das Projekt geht jetzt in sein erstes Jahr. Verständlich, dass sich erst einmal alles „zurechtrütteln“ muss. Fürs Erste ist der Wirbel verständlich und es wurde nach meiner persönlichen Meinung der bestmögliche Umgang mit den Gegebenheiten gefunden. Man versucht, auch kreative Lösungen zu finden und ich glaube, dass zumindest aktuell hier alle an einem Strang ziehen. Nicht zuletzt ist das auch für den VfB ein (längst überfälliges) Prestigeprojekt. Strukturelle Probleme die bei der Ausgliederung entstanden sind, gibt es längst nicht nur beim Frauenteam. Hier gilt für den gesamten „Verein“: „Das Beste daraus machen“. Und das Trikot kaufen, wenn es das hoffentlich bald mit Sponsor und im Verkauf gibt.

Über Feedback in den Kommentaren und auf Social Media bin ich sehr dankbar!

Bild: VfB Stuttgart